Neue Wege beschreiten: Die Geschichte der europäischen Landwirte neu schreiben
Eine kürzlich abgehaltene Themengruppe des EU-GAP-Netzwerks befasste sich damit, wie die vielfältigen Beiträge der Landwirte zur Gesellschaft von der breiten Öffentlichkeit besser wahrgenommen und geschätzt werden können.
Landwirte sind weit mehr als nur Lebensmittelproduzenten: Sie sind Umweltschützer, Pädagogen, Innovatoren und Stützen ländlicher Gemeinden. Dennoch bleibt ein Großteil dieses gesellschaftlichen Beitrags von der breiten Öffentlichkeit unbemerkt oder wird unterschätzt.
Die Themengruppe (TG) des EU-GAP-Netzwerks zum Thema „Wertschätzung des umfassenden Beitrags der Landwirte zur Gesellschaft“, bestehend aus Landwirten, NGOs, Pädagogen, Kommunikatoren und politischen Entscheidungsträgern aus 19 Mitgliedstaaten, traf sich in diesem Jahr zweimal in Brüssel, um Instrumente und Techniken zu erörtern, mit denen die Debatte vorangebracht werden kann, sodass der wahre gesellschaftliche Wert der Landwirtschaft besser zum Ausdruck kommt.
Die Erzählung verändern
Eine der wichtigsten Erkenntnisse aus der ersten Sitzung der Gruppe (Februar 2025) war die Notwendigkeit, die hartnäckigen Stereotypen in der öffentlichen und medialen Debatte zu überwinden. Dies war ein Thema, mit dem sich die Agrar- und Ernährungsjournalistin Natasha Foote in einer Keynote-Präsentation eingehend befasste, in der sie gängige und wiederkehrende Narrative in den Medien aufschlüsselte. Diese reichten vom „wütenden Landwirt” bis zum „Sessel-Landwirt”, wie im Kontextpapier (verfügbar auf der TG-Seite) und in der Abbildung unten hervorgehoben.
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Wütender Landwirt
Ein wiederkehrendes Thema in den Medien ist der „wütende“ Landwirt. Schlagzeilen verwenden oft Ausdrücke wie „wütende Landwirte“ oder kämpferische Formulierungen wie „Landwirte wehren sich“. Die Idee der „Heugabelpolitik“ und der Sonderstellung der Landwirte – dass Landwirte gegenüber z. B. Klimaprotestlern bevorzugt behandelt werden.
Agribashing
Dämonisierung der Landwirtschaft – Landwirte als Umweltverschmutzer, industrielle Akteure, Hauptverursacher des Klimawandels und des Verlusts der Biodiversität, schlecht für die Umwelt und das Tierwohlbefinden, Landwirte werden als nörgelig/negativ wahrgenommen.
...vs. Romantisierung
Romantisierung des „einfachen Lebens”, idyllische, ewige Sonnenuntergangsbauernhöfe, das „Instagram”-Bauernhofleben – gilt insbesondere für die jüngeren „Landwirt-Influencer” in den sozialen Medien, z. B. die Bewegung für regenerative Landwirtschaft. Landwirtschaft als Lebensweise – Teil des Kulturerbes. Wird auch als Werbemittel genutzt.
Lebensmittelproduzent
Die Rolle der Landwirte wird auf die Lebensmittelproduktion reduziert – andere sozioökonomische Vorteile, z. B. ländliche Vitalität, Schaffung von Arbeitsplätzen, Biodiversität, Klima, öffentliche Gesundheit, werden weniger anerkannt. Allgegenwärtige Narrative wie „die Welt ernähren” und „Ernährungssicherheit” – z. B. „Keine Landwirte, keine Lebensmittel”.
Größe ist wichtig
Kleiner Bauernhof = gut
Großer Bauernhof = schlecht
Das Image des Landwirts
Männlich, weiß, alt, Flanellhemd und Hut (Klischee), oft makellos; Traktor/Maschinen. „Landwirt der alten Schule“ (traditionell, arbeitet mit der Hand/dem Traktor) vs. „junger Landwirt“ (nutzt Hightech). Merkmale: Gilt als ungebildet und ungelernt (insbesondere Landarbeiter), konservativ/veränderungsresistent, stur, fleißig, traditionell/veraltet, opferbereit. „Landwirte“ als homogene Gruppe.
Landwirtschaft vs. Umwelt
Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion werden als grundlegend im Widerspruch zur Umwelt stehend dargestellt. Landwirte werden als „umweltfeindlich“ dargestellt, insbesondere nach den Protesten der EU-Landwirte, die größtenteils als Gegenreaktion auf den Green Deal der EU erklärt werden.
Nachhaltigkeit als „Belastung“
Nachhaltige Landwirtschaft wird als Belastung angesehen, die „Kompromisse“ erfordert – z. B. teurer und/oder weniger produktiv. Reduktionistische Erzählung „Wer soll zahlen? Landwirt oder Verbraucher?“
Kämpfende Landwirte...
Finanziell angeschlagen, belastet durch Bürokratie, unterboten durch den Handel, schlechte psychische Gesundheit, sozial isoliert. „Opfer des Systems“ mit kleinen Familienbetrieben gegen die „Großen“. Krisenlandwirtschaft – Umgang mit einer Dauerkrise (z. B. Covid, Ukraine). Narrativ der Prekarität. Unattraktiver Beruf.
...vs. Sesselbauern
Kassieren das Geld, gierig. Landbesitzer/Agrounternehmen vs. Landwirte. „Die GAP macht ein Drittel des EU-Haushalts aus“ ist ein immer wiederkehrender Punkt. Häufig zu hören: „Worüber beschweren sie sich, sie sind doch Millionäre?“ und/oder schicke Traktoren/Technik = viel Geld.
Kluft zwischen Stadt und Land
Kluft zwischen Landwirten und dem Rest der Gesellschaft und umgekehrt – Gefühl, dass die Realität der Landwirtschaft kaum verstanden wird. Verbraucher weit entfernt von der Realität der Landwirtschaft.
Rechtsextreme Landwirte
Politisch als rechtsgerichtet angesehen, aber zunehmend mit dem Aufstieg der extremen Rechten in Verbindung gebracht, z. B. „rückschrittlich“. Landwirte = Hindernis für den Fortschritt. Zunehmend regelmäßig EU-feindlich.
Eine Kernbotschaft, die sich aus den Diskussionen ergab, ist die Bedeutung vielfältigerer, überzeugenderer Geschichten, die Landwirte als qualifizierte Fachleute und Gemeinschaftsbildner und nicht nur als Produzenten darstellen.
Um die Kluft zwischen Landwirten und Gesellschaft zu überbrücken, hatten die TG-Mitglieder die Möglichkeit, anhand von Beispielen aus der Praxis zu erkunden, wie Landwirte die Vitalität des ländlichen Raums, den Umweltschutz und das Kulturerbe fördern – allesamt wichtige Punkte, die in der TG-Sitzung hervorgehoben wurden. Dazu gehörten eine Reihe von Initiativen in der gesamten EU, wie das Projekt „Regenerative Landwirtschaft“ in der Slowakei, das Projekt „Soziale Landwirtschaft“ in Irland und das Projekt „Kommunale Landwirtschaft“ in Frankreich, die die Bandbreite der Aufgaben von Landwirten und ihren freiwilligen Beitrag zum Gemeinwohl veranschaulichen (die Präsentation finden Sie auf der Veranstaltungsseite).
Die Gruppe untersuchte die vielen Möglichkeiten, wie dies geschehen kann – durch Bildung, Selbstvermarktung der Landwirte, Kommunikations- und Sensibilisierungskampagnen sowie Auszeichnungen und Anerkennungsprogramme (einschließlich Beispielen wie den Agricultural and Rural Inspiration Awards) und nationale Wettbewerbe.
Innovative Kommunikation: vom Storytelling zu „Farmfluencern“
Aufbauend auf den fruchtbaren Diskussionsgrundlagen, die beim ersten Treffen und bei informellen Zusammenkünften der TG-Mitglieder entwickelt wurden, ging die 2. Tagung der TG (Mai 2025) noch tiefer in die Materie und konzentrierte sich darauf, erste Erkenntnisse in konkrete, praxisorientierte Strategien umzusetzen, um die Sichtbarkeit und Attraktivität der Landwirtschaft zu steigern, insbesondere für junge und zukünftige Landwirte, die bereit sind, die Zügel in die Hand zu nehmen.
Storytelling war ein zentrales Thema, das sich durch beide Sitzungen zog, sei es durch persönliche Erzählungen, Besuche auf Bauernhöfen oder digitale Plattformen. Zahlreiche sozialmedienerfahrene „Farmfluencer“ in ganz Europa, wie beispielsweise diejenigen, die von den finnischen und österreichischen nationalen Netzwerken unterstützt werden, verändern bereits die Wahrnehmung der Öffentlichkeit, indem sie ehrliche, nachvollziehbare Erfahrungen aus der Landwirtschaft auf Instagram, TikTok und anderen Plattformen teilen – wie in einem kürzlich erschienenen Artikel dargestellt.
Aber nicht jeder Landwirt kann oder will ein digitaler Geschichtenerzähler werden, weshalb koordinierte Kampagnen wie „There’s More to the Story…” in Irland oder „Farmfluencers” in Österreich so wichtig sind. Diese Initiativen verbinden digitale Medien mit physischem Engagement, um die Menschen wieder mit dem Land und den Menschen hinter ihren Lebensmitteln in Verbindung zu bringen und zeigen, wie wirkungsvoll die Kombination von öffentlicher Unterstützung und Kommunikationsstrategien sein kann.
Ideen säen
Die Gruppe wurde dann in fünf Untergruppen aufgeteilt, um konkrete politische und kommunikative Vorschläge zu diskutieren, die sowohl das Verständnis der Öffentlichkeit verbessern als auch die Landwirte in ihren sich wandelnden Rollen unterstützen sollen. Dazu gehörten:
- Ein EU-Tag der Landwirte mit Tagen der offenen Tür in landwirtschaftlichen Betrieben in allen Mitgliedstaaten;
- Eine fiktionale Fernsehserie mit dem Titel „Seasons change”, die darauf abzielt, die Landwirtschaft als modernen, qualifizierten und vielfältigen Beruf neu zu positionieren;
- Medienpartnerschaften, um regelmäßig multimediale Berichterstattung zu bieten, in deren Mittelpunkt die Landwirte stehen
Nach einer Abstimmung belegte das Team der öffentlichen Verwaltungen mit seinem Vorschlag „F.A.C.E.“ für Landwirte den ersten Platz. Darin werden vier Säulen – Farmers’ social security (Soziale Sicherheit für Landwirte), Access to land (Zugang zu Land), Communication and recognition (Kommunikation und Anerkennung) und Education (Bildung) – miteinander kombiniert, um die Agrarlandschaft zu verändern und eine mehrgleisige Strategie zu entwickeln, die die Landwirtschaft als Beruf attraktiver machen soll.
Dieser Plan umfasst praktische Maßnahmen wie den Ausbau sozialer Unterstützungsdienste, die Beseitigung von Einstiegshürden für neue Landwirte, die Stärkung des öffentlichen Images der Landwirtschaft als angesehener und unverzichtbarer Beruf sowie die Integration von Themen aus dem Bereich Agrar- und Ernährungswirtschaft in die Lehrpläne der Schulen.
Das Ergebnis? Ein vernetzter, zukunftsorientierter Ansatz für die Landwirtschaft, der die Landwirte in den Mittelpunkt unserer Gemeinschaften stellt.
Eine Botschaft, die Wurzeln schlägt
Die Dynamik nimmt zu, da sich immer mehr Landwirte, Kommunikatoren und politische Entscheidungsträger anschließen, um das öffentliche Image der Landwirtschaft neu zu gestalten. Und die Botschaft, die sich durchsetzt, ist klar: Die Landwirtschaft ist nicht nur ein Beruf – sie ist das Fundament der Gesellschaft.
Die wichtigsten Botschaften der Themengruppe sind auf der TG-Landingpage zusammengefasst, die auch eine inspirierende Auswahl bewährter Praktiken bietet, die mit Hilfe der TG-Mitglieder zusammengestellt wurde und einen Eindruck von der Bandbreite der Aktivitäten in verschiedenen Teilen der EU vermittelt.
Die bewährten Praktiken befassen sich mit den Interaktionen der Landwirte mit der Öffentlichkeit, Bildungsinitiativen sowie Kommunikations- und Sensibilisierungskampagnen. Diese Kategorien spiegeln die vielfältigen Strategien wider, mit denen das Verständnis der Öffentlichkeit für die wesentliche Rolle der Landwirte über die Lebensmittelproduktion hinaus verbessert werden soll. Von der direkten Einbindung der Bürger über den Austausch persönlicher Erfahrungen und die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeiten der Landwirte bis hin zur Durchführung von Bildungsprogrammen und gezielten Kampagnen zeigt jede Kategorie eine andere Möglichkeit, die Beiträge der Landwirte für die Gesellschaft sichtbarer und wertvoller zu machen.
Die Ergebnisse der Themengruppe werden in die künftige Arbeit des EU-GAP-Netzwerks einfließen, darunter auch in die aktuellen thematischen Gruppen zu den Themen „Das Potenzial der Zusammenarbeit erschließen“ und „Verbesserung der Wasserresilienz im ländlichen Raum durch die GAP“, die gerade ihre ersten jeweiligen Sitzungen abgehalten haben.
Um über dieses Thema auf dem Laufenden zu bleiben, besuchen Sie die Website des EU-GAP-Netzwerks und folgen Sie @eucapnetwork in den sozialen Medien.